Monat: März 2012

Strahlenbelastung der Schilddrüse max. 87 mSv

Institut für medizinische Behandlung der Strahlenkrankheit an der Universität Hirosaki, Präfektur Aomori, hat rund einen Monat nach dem Atomunfall von Fukushima  I 65 Einwohner in der Nähe vom AKW auf die Strahlenbelastung der Schilddrüse untersucht. Asahi-Zeitung berichtete über das Resultat am 9. März.

Das maximale Strahlenwert von radioaktivem Jod betrug demnach 87 mSv und wurde bei einer erwachsenen Person, die nach dem Unfall in Namie-Cho zurückblieb, gemessen. Bei einer anderen wurde eine Strahlenbelastung von 77 mSv gemessen. Sie hielt sich auch in der gleichen Gemeinde über zwei Wochen lang, bevor sie in die Stadt Fukushima floh. Das höchste Wert beim Kind war 47 mSv.

Über 50 mSv Jodbelastung hatten fünf Personen, bei 34 Leuten war es weniger als 20 mSv. Insgesamt bei 50 Personen wurde das radioaktive Jod festgestellt.

Professor Shinji Tokonami, der die Untersuchung leitet, schliesst die Möglichkeit nicht aus, dass Säuglinge und Kleinkinder einer Strahlung von über 100 mSv ausgesetzt waren, wenn sie in einem Gebiet mit erhöhter Kontamination gewesen sind. Eine sorgfältige Unterstützung sei nötig, sagte er.

Laut UNO betrug die durchschnittliche Strahlenbelastung der Schilddrüse beim Tschernobyl-Unfall 490 mSv. Dort erkrankten rund 6’000 Menschen an Schilddrüsenkrebs, vor allem Kinder.

Düstere Blick in die Zukunft in Fukushima

Fukushima Broadcasting und Asahi-Zeitung haben anfangs März zum zweiten Mal eine gemeinsame Umfrage unter Bevölkerung der Präfektur Fukushima durchgeführt. Der zufolge sind 92% der Befragten noch keine Perspektive für einen Wiederaufbau. Auf die Frage „Wie weit ist der Wiederaufbau in Fukushima vorangekommen?“ beantworteten 35% mit „Überhaupt nicht“ und weitere 54% meinten „Nicht sehr weit“.

78% von 921 Personen, die die Umfrage mitgemacht haben, denken, es wird länger als zehn Jahren dauern, bis man in der ganzen Präfektur wieder ein normales Leben wie früher führen kann. Vor einem halben Jahr teilten 68% der Befragten die Meinung teil. 13 % denken, dass es in zehn Jahren so weit sein wird. Für 4% könnte es in fünf Jahren sein und für 1% in drei Jahren.

Mit der Erklärung von der Regierung Noda, dass die Katastrophe „beendet“ sei, sind 94% nicht einverstanden. Auf die Dekontaminierung durch die Regierung und Gemeinden machen auch nicht viele Leute eine Hoffnung. 20% haben überhaupt keine Erwartung, „nicht viel“ haben weitere 60%. 80% schätzen nicht, was die Regierung nach dem AKW-Unfall bis heute unternommen hat.

Die Angst vor der Radioaktivität ist seit der letzten Untersuchung vom September 2011 etwas gesunken. Damals hatten 91% der Befragten „grosse Angst“ oder „mehr oder weniger Angst“, heute sind es 78%. 80% spüren jedoch Stress im Alltag in Fukushima.

Untersuchung der Lebensmittel auf radioaktive Strahlenbelastung

Asahi-Zeitung berichtete am 3. März über die Sicherheit der Lebensmittel in Japan. Aus den Dokumenten, die das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt veröffentlich hat, geht hervor, dass rund 100’000 Untersuchungen bis Ende Januar unternommen wurden. Dabei hat die Zahl der Untersuchung mit der Zeit stark zugenommen, weil immer mehr Gemeinden sich darauf einstellten und sich mehrere Messgeräte verschafften.

Am häufigsten geprüft wurde Rindfleisch. Der Anteil beträgt 66% der gesamten Untersuchung. Es folgen 10.4% von Gemüse, 6% von Fisch und Meeresfrüchte. Reis, das wichtigste Nahrungsmittel für Japaner, hat nur einen kleinen Anteil von 3.8%. Weiter: Früchte 2.9%, Pilze 2.3%, Tee 2.3% und Milch 1.9%.

Im März 2011 wurden radioaktives Jod 131 und Cäsium 134/137 in Spinat, Gemüse und unverarbeiteter Kuhmilch von Fukushima festgestellt. Das Jod 131 hat eine kurze Halbzeit von acht Tagen und seit Herbst letzten Jahres befinden sich die Werte bereits unter der Nachweisgrenze.

Die Werte des Cäsiums sind im Allgemeinen auch gesunken. Zwischen März und Juni 2011 wurde bei 5.41% der untersuchten Lebensmittel eine stärkere Radioaktivität als Grenzwerte nachgewiesen. Im Januar war es 0.34%. Betroffen sind hauptsächlich Fisch, Meeresfrüchte, Pilze und Fleisch von Wildschwein.

Ab April gelten in Japan neue Grenzwerte (Siehe Beitrag vom 17.01.2012).

27’000 Menschen aus Fukushima freiwillig evakuiert

Laut Hauptquartier der Katastrophenmassnahmen Präfektur Fukushima haben bis 9. Februar insgesamt 62’610 Menschen die Präfektur verlassen. Das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, kurz MEXT, schätzt, dass fast die Hälfe von rund 56’000, die bis September 2011 die Präfektur verlassen haben,  freiwillig in eine andere Präfektur weggezogen ist. Darunter viele Mutter mit Kind, vermutet MEXT. Die Mütter wollen ihre Kinder vor der Strahlung schützen.

Dabei bleibt der Ehemann wegen der Arbeit oft alleine in Fukushima zurück. Solche Familien haben nicht selten finanzielle und psychische Schwierigkeiten. Finanzielle, weil sie plötzlich zwei Haushalte zu führen haben. Psychische, weil sie schlechtes Gewissen gegenüber den Gebliebenen haben.

Frau Yuko Nishiyama ist eine davon, sie ist wegen ihrer Tochter aus der Stadt Fukushima weggezogen. Sie wohnt zur Zeit in einer Gratiswohnung in Kyoto. Greenpeace Schweiz hat im Februar sie und einen Teilzeit-Bauer aus Fukushima in die Schweiz eingeladen und organisierte Podien im Kanton Bern und Genf.

http://www.greenpeace.org/switzerland/de/News_Stories/Newsblog/atomenergie-hat-keine-zukunft-gespraech-mit-z/blog/39140/

http://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/Fukushima:_Eine_menschliche_Tragoedie.html?cid=32204928

Massenübersiedlung von 40’000 Haushalten

Im Küstengebiet von den Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima werden Massenumsiedlungen auf die Höhe und ins Landesinnere geplant. Laut Asahi-Zeitung, die eine Untersuchung darüber durchgeführt hat, werden 40’000 Haushalte von 37 Gemeinden umgezogen.

Die Stadt Ishinomaki (Miyagi) plant zur Zeit mit rund 6’900 Haushalten die grösste Massenumsiedlung. Auch in den Städten Kesennuma (Miyagi) und Rikuzen-Takada (Iwate) werden jeweils rund 3’500 sowie in Yamadamachi (Iwate) rund 3’300 Haushalte von der Küste wegziehen.

Kesennuma, MIyagi. Januar 2012. Foto: Hotate Kajiwara

Kesennuma, MIyagi. Januar 2012. Foto: Hotate Kajiwara

Bis heute haben die betroffenen Gemeinden 363 mögliche Umzugsorte gefunden. Aber bereites ein Land gesichert oder eine Kaufverhandlung über das Land aufgenommen haben erst neun Gemeinden.

Das Grundstück des Übersiedlers kauft die Gemeinde ab. Die Kosten für den Ankauf eines neuen Baulandes und für die Umsiedlung müssen die Bewohner selber bezahlen. Dabei sank der Landpreis des vom Tsunami verwüsteten Gebiets zum Teil 30 bis 40%. Die Finanzlage mancher Gemeinden ist auch so schlecht, dass sie ihren Bewohnern keine finanzielle Hilfe anbieten können.

Einbrüche in Fukushima massiv zugenommen

Gelobt wurden Japaner nach der Katastrophe. Selbst in einer verzweifelten Situation blieben sie ruhig, halfen gegenseitig und zeigten Herz. Aber selbstverständlich gibt es in Japan auch solche, die ins verlassene, menschenleere Haus betreten, um sich dort herumliegende oder versteckte Werte anzueignen.

Gemäss Asahi-Zeitung wurden im Bezirk Futaba von der Präfektur Fukushima letztes Jahr 920 Schadensmeldungen wegen eines Diebstahls eingereicht. 804 davon waren wegen eines Einbruchs, rund 13-mal mehr als 2010.

Die Bewohner vom Bezirk wurden im April 2011 zwangsevakuiert, aber dürfen seit Mai alle drei Monaten für einige Stunden nach Hause zurückkehren. Dabei haben nicht wenige gemerkt, dass Bargeld, elektrische Haushaltsgeräte, Juwelen oder sogar Landwirtschaftsgeräte verschwunden waren. Aber auch viele haben in solchem Raum, wo wegen des Erdbebens der Stärke 9.0 alles durcheinander gebracht wurde, wahrscheinlich nicht von einem Diebstahl gemerkt.

Die Täter zu fassen ist nicht einfach. Es gibt kaum Zeugen, die Überwachungskamera funktioniert wegen des Stromausfalls nicht.