An alle auf der Welt
2022 war das Jahr, in dem wir uns wegen des Ukrainekrieges erneut die Befürchtung ins Gedächtnis rufen mussten, dass der Gebrauch von Atomwaffen wieder möglich geworden ist. Und auch, dass Atomkraftwerke im Fall eines Angriffs zu einer Art Nuklearwaffen werden könnten.
Im August 2022 machte der japanische Premier Kishida neue Energiestrategierichtlinien bekannt. Darunter fällt die Wiederaufnahme des Betriebs bestehender Kernkraftwerke, der Bau von neuen Reaktoren sowie das Ersetzen alter AKW durch neue. Am 10. Februar dieses Jahres wurden diese neuen Richtlinien als Teil der sogenannten „Grünen Transformation“ (GX) festgelegt, ohne dass zuvor darüber in der Öffentlichkeit ausreichend diskutiert worden war: Die Frist für eine Stellungnahme zu diesen Fragen war viel zu kurz, und insgesamt waren landesweit nur zehn Termine für öffentliche Informationssitzungen und Treffen für Meinungsaustausch anberaumt worden. Doch noch bevor diese Termine alle wahrgenommen werden konnten, hatte die Regierung den Kabinettbeschluss bereits rigoros durchgesetzt, um den Weg zur Rückkehr zur Atomenergie zu ebnen. Wir sind darüber mehr denn je sehr empört.
Die Nuklearkatastrophe von Fukushima ist dabei keineswegs vorbei. Vielmehr gibt es noch immer mehrere Sperrzonen in sieben Dörfern und Gemeinden, und noch immer können mehrere zehntausende Evakuierte nicht in die Heimat zurück. 12 Jahre nach dem Super-GAU will die japanische Regierung wieder voll auf Atomenergie setzen und sich von den Entscheidungen verabschieden, die damals als Lehre aus dem Unfall getroffen worden waren, nämlich: Die Abhängigkeit von der Atomenergie zu reduzieren, die Laufzeiten von AKWs prinzipiell auf 40 Jahre zu begrenzen und die Atomaufsicht und die Förderung der Atomenergie voneinander zu trennen. Diese Annullierung der damaligen Entscheidungen wird das Risiko eines nächsten Atomunfalls erheblich steigern. Wir fühlen uns verpflichtet, diese ungeheure Politik zu verhindern.
Ähnliche Beobachtungen über den Kurswechsel machen wir auch in Gerichtsverhandlungen. Die Sammelklage von Geflüchteten aus Fukushima zur Verantwortung des Japanischen Staates war in drei von insgesamt ersten vier Instanzen positiv beschieden worden. Im Juni 2022 hat der Oberste Gerichtshof jedoch erneut ein Urteil gefällt, in dem die Verantwortung des Staates abgelehnt wurde. Die Klage wurde abgewiesen.
Ähnlich lief es im Strafprozess gegen die ehemaligen Tepco-CEOs: sie wurden in der zweiten Instanz im Januar dieses Jahres alle freigesprochen. Die Begründung: die Beweislage sei nicht eindeutig. Dabei fanden keine Vor-Ort-Untersuchungen statt, und alle Anträge auf Zeugenvernehmungen waren abgelehnt worden.
Auch in anderen Gerichtsverhandlungen muss man leider feststellen: Weder ausreichende Untersuchungen statt noch Verhandlungen, die diese Reihe von Gerichtsurteilen rechtfertigen würden. Es bestätigt sich somit der Eindruck, dass die Justiz unter dem Einfluss der Politik der Regierung steht.
Gegen das Urteil im Tepco-Strafprozess ist nun bereits Berufung eingelegt worden beim Obersten Gerichtshof. Wir müssen entschlossen weiter an die Öffentlichkeit appellieren, sich gegen das letzte Urteil einzusetzen und das, was darin falsch lief, damit über entscheidende Punkte im Obersten Gerichtshof neu und ernst verhandelt wird.
Außerdem will die japanische Regierung im Frühling bis Sommer dieses Jahres ihr Vorhaben durchsetzen, kontaminiertes Wasser aus dem AKW Fukushima Daiichi verdünnt ins Meer einzuleiten. Dieses Wasser ist zwar durch die Filteranlage ALPS gefiltert, es ist aber noch immer stark radioaktiv verseucht. Sollte mit der Verklappung begonnen werden, würde diese über mehrere Jahrzehnte fortgesetzt.
Letztes Jahr haben wir mit Menschen aus dem asiatisch-pazifischen Raum ein internationales Forum „Verseucht die Meere nicht mit radioaktiven Stoffen“ veranstaltet. Denn überall dort, wohin dieses kontaminierte Wasser fließt, werden die Menschenrechte jener Bevölkerungen verletzt, die am und vom Meer leben. Und es wird in diesen Regionen das Leben all jener Lebewesen zerstört, die im Meer zu Hause sind. International wird diese Stimme stärker.
Wenn Japan nun absichtlich noch mehr radioaktives Wasser von Fukushima ins Meer ablassen würde, nachdem bereits eine enorme Menge an radioaktiven Stoffen während und nach der Katastrophe in die Atmosphäre und in das Meer gelangt war, würde es uns das Herz noch mehr zerreißen. Wir dürfen es auf keinen Fall zulassen. Deshalb wollen wir Menschen dazu aufrufen, am 13. April überall Aktionen gegen den Plan zu organisieren, denn genau an dem Tag letzten Jahres war der Plan im Kabinett beschlossen worden. Lasst uns gemeinsam durch verschiedene Aktionen diese Untat stoppen.
Die Welt scheint zwar gerade immer düsterer zu werden, aber wir dürfen uns nicht erlauben aufzugeben, denn wir müssen dafür sorgen, dass es ein wenig Licht der Hoffnung in der Welt gibt, die wir den nächsten Generationen hinterlassen.
zum 11. März 2023 in Fukushima,
Muto Ruiko
Sprecherin der Klägergruppe gegen TEPCO
Repräsentantin der Gruppe Frauen von Fukushima
http://hidanren.blogspot.de/
http://kokuso-fukusimagenpatu.blogspot.com/p/blog-page_5112.html
(Übersetzung aus dem Japanischen: Sayonara Nukes Berlin)
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