Monat: Juni 2011

Radioaktive Verseuchung verbreitet sich

Die Leute in Japan sind verunsichert. Anders als Zeitungen berichten Zeitschriften über die radioaktive Verseuchung viel dramatischer. Die radioaktiven Substanzen verbreiten sich nicht nur im Nordjapan sondern auch in Teilen Tokyos und noch westlicher.

Vor einigen Tagen gab der Gouverneur von der Präfektur Shizuoka, der grösste Teeproduzent Japans, bekannt, dass die Radioaktivitätswerte in Teeblättern von einigen Teeplantagen den offiziell erlaubten Grenzwert überschritt. Shizuoka liegt ca. 360 km südwestlich von Fukushima.

In Koto-Bezirk in Tokyo kämpft eine Gruppe von besorgten Müttern, um ihre Kinder vor starken Radioaktivitäten zu schützen. In der Erde eines Schulhofs wurde eine Cäsium-Konzentration von 2300 Bq/kg gemessen. Das ist höher als der Grenzwert von 1 mSv, der für eine Strahlenbelastung in einem Jahr erlaubt ist. Die Schule liegt in der Nähe von einer Klärschlammanlage. In dem Bezirk wird nun regelmässig die Radioaktivitäten gemessen. Das hat eine Frauenmagazin berichtet.

Die zuständige Behörde veröffentlicht jeden Tag die gemessene Werte jeder Präfektur.

http://www.mext.go.jp/english/incident/1303962.htm (Englisch)

Eine Gruppe aus japanischen Prominenten, unter anderem dem bekannten Musiker Ryuichi Sakamoto, sammelt Unterschriften für Atomausstieg. Ihr Ziel ist, bis Februar 2012 10 Millionen Unterschriften zu sammeln. http://sayonara-nukes.org/english/ (Englisch), zur Petition http://sayonara-nukes.heteml.jp/nn/wp-content/uploads/2011/07/0620sayonara_genpatu_E2.pdf

Unglückliches Glück

In japanischen Zeitungen liest man ab und zu einen Bericht, in dem Gedanken oder Gefühle vorkommen, die für die Japaner als typisch bezeichnet werden können. In der Asahi-Zeitung vom 14. Juni war wieder solch ein kleiner Bericht zu lesen.

Als ein Journalist in der Stadt Minami-Sanriku, wo durch Tsunami völlig verwüstet wurde, eine Frau nach der Zustand ihres Hauses und dem Befinden ihrer Familieangehörigen fragte, sagte sie ihm „Es tut mir leid“ und verneigte sich. „Meine Wohnung steht schadlos und meine Familie ist alle wohlbehalten.“

Die Familie zog trotzdem aus der Stadt aus, weil es dort weder fliessendes Wasser noch Läden gibt. Aber vor allem weil sie von den Gedanken gequält wird, dass die anderen Stadtbewohner sie beneiden würden. Sie hat ein schlechtes Gewissen, weil der Tsunami, der so viele Menschenleben und Erinnerungen und zu Hause mitgerissen hat, sie und ihre Familie verschont hat.

Radioaktivität in Gewässern

Japan hat eine Regenzeit im Frühsommer. Im Gebiet Tohoku regnet es dann auch viel. Es besteht nun ein Gefahr, dass die Radioaktivitäten wie Cäsium137 oder Strontium, das in elf verschiedenen 5823482278_cfb5a68f32_zOrten in der Präfektur Fukushima nachgewiesen wurde, im Gewässer gelangen.

Bei einigen Fischen und Meeresalgen vom Meer vor Fukushima wurde anfangs Juni bereits bis 1150 Bq/kg Cäsium gemessen. Ein Forschergruppe beobachtet nun die Radioaktivität in drei Flüssen in der Region.

Fotos: Tomoya Higashigaki, Kesennuma, Miyagi

Fotos: Tomoya Higashigaki, Kesennuma, Miyagi

Auf dem Lande kämpfen Leute gegen giftigen Schlamm, den der Tsunami hinterlassen hat. Das japanische Umweltministerium hat am 10. Juni veröffentlicht, dass die Menge des Schlamms in den Präfekturen Iwate, Miyagi, Fukushima und Ibaragi schätzungsweise insgesamt 16 Millionen Tonnen ausmachen würde. Das sind mehr als jene des normalen Abfalls, der in diesen vier Präfekturen in fünf Jahren entsteht.

Am 11. Juni, drei Monate nach dem katastrophalen Erdbeben, fanden im ganzen Japan Aktionen gegen AKW statt. Die Bewegung wird immer grösser und die japanischen Medien, die Demonstrationen unmittelbar nach dem Unfall nicht gross, wenn nicht überhaupt nicht, berichtet haben, können nun nicht mehr sie unbeachtet lassen.

http://nonukesmorehearts.sblo.jp/category/1125678-1.html

770’000 Tera Bq in die Luft

Die japanische Atomaufsichtsbehörde hat am 6. Juni einen Untersuchungsbericht über den AKW-Unfall in Fukushima offen gelegt. Dem zufolge wurden dabei 770’000 Tera Bq von Radioaktivität in die Luft geschleudert. Das ist viel mehr als man bisher vermutete. Beim Unfall in Tschernobyl war es 5.2 Mio Tera Bq.

Die Asahi-Zeitung veröffentlicht jeden Tag die Radioaktivitätswerte von Zentral- und Nordjapan. Am 6. Juni wurde in der Stadt Fukushima 1,29 μSv/h und in Koriyama 1,26 μSv/h gemessen. In Tokyo (Shinjuku) war es 0,0599 μSv/h, in Yokohama 0,029 μSv/v.

Laut BKW variieren die täglichen Durchschnittswerte in der Schweiz je nach Standort zwischen 0,08 und 0,26 μSv/h. https://kernenergie.bkw-fmb.ch/radioaktivitaet-ueberwachung-und-messungen.html

Da ist allerdings nicht klar, in welcher Höhe die Messung stattfindet.

In Japan wissen die Bewohner auch nicht, ob die Radioaktivität in Bodennähe gemessen wird. Eine Leserin der Asahi-Zeitung habe gehört, dass die Messstation in Tokyo auf einem Wolkenkratzer errichtet wurde. Auch an vielen Orten wird die Messung auf einem Dach durchgeführt, so erfuhr eine in der Schweiz lebende Japanerin aus der Präfektur Iwate, als sie kürzlich ihre Heimat besuchte.

T-Shirt von Tohoku

Die Betroffenen von der Erdbeben-, Tsunami- und AKW-Katastrophen brauchen langfristige Unterstützungen. Das wissen alle Japaner. Überall liegen noch Trümmer, fast 10,000 Leute leben nach wie vor in städtischen Einrichtungen. Viele von Haushalten, die den Tsunami überlebt haben, haben weder Strom, Gas noch fliessendes Wasser. Tausende haben ihre Stelle verloren, oder schlimmer noch, mussten zu Hause sehr wahrscheinlich für immer verlassen.

Ihnen kann man in verschiedenen Weisen Hilfe bieten. Aber vor allem Geld brauchen sie, weil die Hilfsgelder von der japanischen Regierung viel zu wenig sind, um die Existenz nochmals aufbauen zu können.

Viele Japaner In- uns Ausland sind deshalb aktiv, für die Betroffenen langfristig Geld zu sammeln. Eine Aktivität davon ist der T-Shirt-Verkauf. Von Prominenten bis Volunteer-Gruppen verkaufen sie ein Original-T-Shirt und schicken den Erlös ins Tohoku-Gebiet, die nördlichen Region Japans.

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Eine Volunteer-Gruppe aus der Stadt Tono in der Präfektur Iwate, „Tono Magokoro Net“, hat auch ein T-Shirt entworfen.

http://tonomagokoro.net/ (zur Zeit nur auf Japanisch)

Darauf stehen „Iwate lässt sich nicht unterkriegen!“, „Hop Tohoku“, so etwa.

Mit den Einnahmen werden die Bewohner und die freiwilligen Helfer unterstützt. Die Volunteer bezahlen alles selber, nur die Unterkunft ist gratis. Sie schlafen allerdings alle zusammen in einer Sporthalle. Ihre Aktivität ist sehr vielfältig, von der Reinigung des Hauses über Kochen bis Begleitung zu einer Abwechselungsmöglichkeit.

Das T-Shirt kostet 23 Franken. Wer seinen Beitrag zur Stadt Tono leisten möchte, kann sich bei mir melden. Die Grösse: S, M, L, XL.