Es war vor 30 Jahren, als ich in die Schweiz kam. Schon damals heiratete man hierzulande immer später. In Japan hingegen wurden unverheiratete Frauen über 25 als „Weihnachtskuchen vom 25. Dezember“ bezeichnet, die niemand haben will, für sie war es beschämend. Heute steigt das Heiratsalter von japanischen Männern und Frauen immer mehr an. Auch von einer Zunahme des Konkubinats, das in der Schweiz vor 30 Jahren bereits eine Normalität war, und solchen, die nie heiraten, ist die Rede. Kurzum: der japanische Lebensstil nähert sich immer mehr jenem der Europäer an.
Michael Nast, der deutsche Autor des Originals „Generation Beziehungsunfähig“, wurde im Jahr 1975 geboren. In Japan würde er zur sogenannten „Lost Generation“ gehören, die gerade in der „Eiszeit für Jobsuchende“, unmittelbar nach dem Platzen der Blase, ins Berufsleben eintreten musste. Nast schildert verschiedene Probleme seiner Generation sowie der Gesellschaft. Ausgangspunkt seiner Geschichten sind Erfahrungen von seinen gleichaltrigen Freunden und Bekannten über Kummer und Beklommenheit bei zwischenmenschlicher Beziehung, über Liebe, Heirat und Karriere. Er erzählt sie freiheraus mit Humor. Sein Blick, der einen Lebensstil betrachtet, der von einer oberflächlichen Lebensanschauung und der Jagd nach Trends dominiert wird, ist dennoch scharfsinnig.
Viele seiner Beobachtungen und Analysen kennen wir auch selber. Jeder mag irgendwann mal gleiche oder ähnliche Gedanken gehabt haben, aber diese wurden vielleicht nie ausgesprochen. Wohl deshalb wollten so viele Menschen seinen in einem Online-Magazine veröffentlichten Blog lesen, dass der Server fast zusammenbrach, wie der Autor später schreibt. Er war das Sprachrohr deren, die ihre Gedanken nicht in Worte zu fassen vermochten.
Obwohl zwischen Japan und Deutschland hinsichtlich der Kultur und Geschichte gewisse Unterschiede bestehen, befinden sich die beiden Industrieländer bei einer Mehrzahl von Themen wie die sinkende Geburtsrate und die überalternde Gesellschaft sowie die veränderte Heiratsform in einer ähnlichen Situation. Nicht wenige Japaner werden deshalb nachempfinden können, was der Autor in diesem Buch schildert. Damit die japanischen Leserinnen und Leser ein Hauch der Atmosphäre der deutschen Haupt Stadt spüren können, wurden in der Übersetzung – anders als im Original – zahlreiche Fotos von Berlin abgedruckt. Ich würde mich freuen, wenn sie dieses europäische Land als eine Art Spiegel betrachten und über die Probleme der eigenen Gesellschaft nachdenken.
Aus „Shinhyoron“, Juli 2019Das Original:Generation Beziehungsunfähig, 2016, Edel Books, ISBN978-3-8419-0406-5
Der Autor:Mihael Nast