Monat: Januar 2014

Leidende Kinder in Tohoku

Mindestens knapp 30 % der Kinder von den durch die Erdbeben-Katastrophe zerstörten Präfekturen haben offenbar rund zwei Jahre nach dem Geschehen weiterhin ernsthafte psychische Probleme. Das Resultat hat das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt am 26. Januar veröffentlicht.

Die Forschungsgruppe des Ministeriums unter der Leitung von Professor Shigeo Kure an der Uni Tohoku verglich die Antworten von Kindern und ihren Familienangehörigen, die in den Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima wohnen, mit jenen von diejenigen, die in der Präfektur Mie, wo keine Schaden damals erlitten hat, wohnen. 178 Kinder von Tohoku, die die Forschung mitmachen, waren damals drei bis sechs Jahre alt. In Mie wurden an 82 Kinder in gleichem Alter dieselbe Frage gestellt. Bei den Kindern von Tohoku wurden psychische Probleme viel häufiger festgestellt: maximal 4.5-mal mehr als bei denjenigen von Mie.

Bei der Umfrage wurden Kinder und ihre Familienangehörige nach Erfahrungen bei der Katastrophe und der heutigen Situation gefragt. 25 % der Kinder in Tohoku haben Zuhause verloren, bei 25 % wurde ihr Haus teilweise zerstört, 58 % wohnen bei einer Verwandt, 31 % haben einmal in einer Notunterkunft gelebt. Auch 39 % haben erlebt, eine Zeit lang von einem Elternteil getrennt zu leben.

Mit Hilfe von über 100 Fragen haben die Spezialisten den psychischen Zustand der Kinder analysiert und stellten fest, dass 28 % der Kinder von den drei Präfekturen haben psychische Probleme wie ernsthafte Angst, Depression oder Rückzug aus der Gesellschaft. Weitere 21 % verhalten sich manchmal aggressiv, bei 26 % war eine Anpassungsunfähigkeit an die Gesellschaft zu erkennen. Sie benötigten alle eine Therapie, heisst es.

Krebsrisiko bei niedriger Strahlungsdosis

Mitte Dezember 2013 kamen in der Stadt Shirakawa die Berater für Strahlenrisiko von der Präfektur Fukushima zusammen, um über die Auswirkungen der Strahlung zu diskutieren. Dem alternativen Online-Medium OurPlanet-TV zufolge kamen sie zum Schluss, dass die Behauptung, das Krebsrisiko würde sich bei einer niedrigen Strahlungsdosis unterhalb von 100 mSv nicht erhöhen, falsch ist.

Professor Toshihide Tsuda an der Uni Okayama, einer der Redner an der Sitzung, wies darauf hin, dass die obenerwähnte Behauptung unter Fachleuten und Regierungsorganen verbreitet ist. „Die Empfehlungen von 2007 der ICRP (Internationalen Strahlenschutzkommission) besagt nicht, dass bei einer Strahlungsdosis unterhalb von 100 mSv kein Krebsrisiko besteht, sondern die Rede ist lediglich davon, dass es kein statistischer signifikanter Unterschied erkennbar ist. Das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT) sowie das Umweltministerium etwa verbreiten eine falsche Interpretation unter der Bevölkerung“, kritisierte der Umweltepidemiologie-Spezialist.

Er nannte dabei einige Studien, die resultieren, dass selbst eine niedrige Dosis unterhalb von 10 mSv zu einer Zunahme des Krebses führen kann. Auch in Fukushima erkrankten überdurchschnittlich viele Kinder an Schilddrüsenkrebs, sagte Tsuda im Vortrag.

Laut OurPlanet-TV waren danach zahlreiche Gegenmeinungen bei den Beratern von den Gemeinden zu hören. Trotzdem waren die Fachleute in dem Punkt übereinstimmig, dass die Krebserkrankung auch bei einer Strahlungsdosis unterhalb von 100 mSv zunehmen kann. Es gab auch Stimme, die meint, es gebe Pseudo-Fachleute, die in den Medien das Gegenteil behaupten.

Das harte Leben im Provisorium

Die Universität Iwate führt seit 2011 bei den Bewohnern der provisorischen Wohnung von Otsuchi eine Umfrage durch, um das Leben bis auf weiteres zu untersuchen. In der Gemeinde Otsuchi wohnten vor der Tsunami-Katastrophe 16‘000 Menschen, 7.8 % davon kamen am 11. März 2011 ums Leben oder werden noch vermisst. Beinahe 60 % der Wohngebäude wurden völlig oder teilweise zerstört.

Laut Asahi-Zeitung vom 6. Januar hat sich der psychische Zustand der Bewohner nach bald drei Jahren noch immer nicht verbessert. Nur 29.8 % der rund 1‘100 Menschen, die bei der Umfrage geantwortet haben, gaben an, dass sie immer mehr seelische Ruhe finden. 35.7 % finden keine Veränderung, 31.1 % beurteilen es sogar schlechter als vorher. Vor einem Jahr hatte eine Mehrheit eine Besserung festgestellt.

Auch die finanzielle Aussicht hat sich verschlechtert. In 2012 haben 37.3 % Menschen ihre Lage entweder „hart wie vor der Katastrophe“ oder „härter geworden“ eingeschätzt, diesmal sind sie auf 45.3 % gestiegen. Insgesamt denken rund 70 %, dass das Leben strenger geworden ist.

Professor Tetsu Mugikura, der das Projekt leitet, vermutet, dass die Bewohner grosse Angst haben, weil sie keine Aussicht auf den Wiederaufbau eigenes Wohnhauses haben. Die Stadt wird auch nur langsam wiederaufgebaut. Dazu verlassen diejenigen, die es geschafft haben, ein eigenes Haus wieder zu bauen, die provisorische Wohnung und die Zurückgebliebenen verlieren langsam Geduld. In Otsuchi wohnen heute ca. 4‘600 Menschen in einer provisorischen Wohnung.