Monat: August 2012

Plutonium verbreitet sich nicht

Das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT) hat zum zweiten Mal die Verbreitungssituation des radioaktiven Plutoniums, das beim Atomunfall von Fukushima freigesetzt wurde, untersucht und bekanntgegeben, dass der Stoff ausserhalb eines Umkreis von rund 30 km um das AKW nicht festzustellen war.

MEXT mass Plutonium-Werte an 62 verschiedenen Stellen in den Präfekturen Fukushima, Miyagi, Ibaraki und Tochigi. An zehn Stellen wurde Pulotnium238 festgestellt. Der höchste Wert betrug 11 Bq/m2, gemessen in Namie-Machi, Fukushima. Die vom AKW am weitesten entfernte verseuchte Stelle war mit 32.5 km ein Ort der Gemeinde Iitate-Mura. Weitere Kontaminierte Stellen wurden in Okuma-Machi und Minami-Soma entdeckt.

Im Juni 2011 hat MEXT an 100 Stellen in der Umgebung vom AKW Fukushima I eine gleichartige Untersuchung durchgeführt. Damals wurde der radioaktive Stoff auch in denselben Gemeinden festgestellt (auch in Futaba-Machi).

Null-Atom erwünscht

„Die nationale Debatte“ zur Energiepolitik ist beendet, die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt einen Atomausstieg. Die Noda-Regierung hatte für die zukünftige Energiepolitik drei Optionen vorgeschlagen – nämlich einen Atomanteil von 0%, 15% und 20 bis 25% in 30 Jahren –  und Vertreter der Bevölkerung nach ihrer Meinung gefragt.

Nach einer Diskussionsrunde haben der Anteil der Befürworter der 0%-Atomenergie von 32.6% auf 46.7% zugenommen. Viele konnten sich bei Diskussionen und Erklärungen durch Spezialisten von der Sicherheit der Kernenergie nicht überzeugen lassen.

Die Sicherheit ist für Japaner das wichtigste Anliegen in der Energiepolitik geworden. Bei einer Umfrage legten 80.7% der Befragten auf die Sicherstellung der Sicherheit Wert. Gefolgt von stabile Versorgung (15.8%), Kosten der Stromerzeugung (2.1%) und Vorbeugung der globalen Erwärmung (1.1%).

Beim Public Comments vom 2. Juli bis 12. August wurden 89’000 Kommentare per E-Mail und Fax an die Regierung gesandt. Davon waren rund 81% für „sofort 0%“, rund 9% waren für „schrittweise 0%“.

Die Protest-Aktion vor dem Amtswohnung des Premierministers Noda hält auch an. Sogar Politiker schliessen sich heute der Demonstration an. Die Stimme des japanischen Volks ist unhörbar laut geworden. Besonders wenn die Wahlen im Herbst bevorsteht, darf und kann die Regierungspartei sie nicht ignorieren.

Psychische Probleme

Die beiden japanischen Universitäten, National Defense Medical College und Universität Ehime, haben zwischen Mai und Juni 2011 den psychischen Zustand der Tepco-Angestellten, die in den Kernkraftwerke Fukushima I sowie II arbeiteten, untersucht. Das Resultat war alarmierend. Mehr als 40% waren in Gefahr, die psychisch krank zu werden.

42% von 1’492 Mitarbeiter wären „dem Tod mit knapper Not entkommen“, 26% erlebten eine Explosion mit eigenen Augen. Aber nicht nur solche zu ernst nehmenden Unfall-Erfahrungen sondern auch Belästigungen setzten ihrer Seele zu. 13% der Tepco-Mitarbeiter haben Schikane erlebt, zum Beispiel an der Türe ihres Hauses wurde ein Zettel geklebt, auf dem stand: „Raus mit Tepco“, oder sie wurden von Evakuierten einen Gegenstand zugeworfen.

Nach einem Test wurden 43% als „Vorsicht erfordernd“ gestuft. Nur die Mitarbeiter beim AKW Fukushima I betrachtet, waren es sogar 47%. Der psychische Zustand derjenigen, die Belästigungen erlebt haben, war zwei bis dreimal schlechter als bei jenen ohne Schikane-Erfahrungen.

Aktive Verwerfungen

Die japanische Nuklearen Sicherheitsagentur (NISA) will ganz sicher sein, dass sich keine aktive Verwerfungen direkt unterhalb eines Kernkraftwerks befinden, und verlangten nun von allen japanischen AKW-Betreibern die Information und Fotos über die Erdschicht, um sie von Spezialisten überprüfen zu lassen. Wird ein Problem gefunden, muss der Betreiber eine zusätzliche Untersuchung durchführen.

Bereits ein Verdacht äusserten sich Fachleute an den AKW Shiga in der Präfektur Ishikawa und Oi in Fukui, dessen Reaktoren 3 und 4 im Juli wieder hochgefahren wurden. Als verdächtig betrachtet werden weiter Kernkraftwerke Tsuruga, Monju, Mihama, Takahama (alles in Fukui) und Higashidori (Aomori).

Als aktive Verwerfungen gilt es, wenn in einer mindestens 120’000 bis 130’000 alten Falte ein Anzeichen einer Aktivität gefunden wird.

Vertuschung der Strahlenbelastung

Die Asahi-Zeitung hat im Juli aufgedeckt, dass ein Manager eines Zulieferunternehmens von Tepco seinen im AKW Fukushima I beschäftigten Arbeitern gezwungen hat, den Dosimeter mit einem Bleibrett zu bedecken, um den Zahlenwert der Strahlenbelastung niedrig zu halten.

Gesetzlich darf in Japan die gesamte Strahlendosis eines AKW-Arbeiters 50 mSv in einem Jahr und 100 mSv in fünf Jahren nicht überschreiten. Den Recherchen der japanischen Zeitung zufolge gehörte solche Vertuschung schon vor dem Atomunfall von Fukushima zur Tagesordnung.

Die Arbeiter haben anscheinend auch oft ohne Dosimeter gearbeitet. „Die Angestellten der Stromversorger und Anlagehersteller wussten das auch, aber sie alle haben es übersehen. Für jeden, der im AKW lange arbeitet, ist es kein Geheimnis“, sagte ein ehemaliger Arbeiter, der gegen die Regierung verklagte, zur Asahi-Zeitung. Ein anderer kritisierte: „Die Arbeiter sagen nicht gerne aus, weil sie Angst haben, dass die Firma danach auf sie Druck ausüben kann. Ich habe mich auch auf der Staatsebene wiederholt beschwert, aber sie wollten nicht einmal eine Untersuchung durchführen.“ Er wurde in 1979 gezwungen, in zwei verschiedenen AKW ohne Dosimeter und Schutzmaske zu arbeiten. Er erlitt später an einem Herzinfarkt, konnte jedoch keinen Schadenersatz für die Krankheit erhalten.

Anklagen angenommen

Die lokalen Staatsanwaltschaften von Fukushima, Tokio und Kanazawa haben am 1. August Anklagen gegen die Tepco-Führung und Regierungsmitglieder angenommen. Die japanischen Medien berichten allerdings von Schwierigkeiten dessen, dass der Atomunfall zum Gerichtsfall wird.

Die Anklagen wurden erst angenommen, nachdem alle vier Untersuchungen über den Unfall vom AKW Fukushima I abgeschlossen worden waren.

In Fukushima hat im Juni eine Gruppe aus 1’324 Einwohnern eine Klage gegen 15 Manager und Sicherheitsverantwortlichen von Tepco sowie 18 Regierungsmitglieder eingereicht. „Tepco hat für die Sicherheit des AKW nichts unternommen, obwohl Gefahren durch Erdbeben und Tsunami aufmerksam gemacht worden waren.“ Die Regierung hätte dazu den Einwohnern Strahlenbelastung ausgesetzt, weil sie die Information zum Evakuation nicht angemessen bekannt gemacht hätte.

In Tokio haben im letzten Sommer ein Schriftsteller und ein Reportage-Autor gegen die Mitglieder der Regierung und des Tepco-Managements Anzeige erstattet. Bis ihre Anklage angenommen wurde, mussten sie ein Jahr warten. Der bekannte Schriftsteller Takashi Hirose meinte am 1. August vor den Medien: „Die Bevölkerung ist damit nicht einverstanden, dass bis heute keine Untersuchung geführt wurde. Mit allen Mitteln muss der Fall untersucht werden.“

Speziallisten sind jedoch der Meinung, dass es schwierig ist, den Fall tatsächlich vor Gericht zu bringen. Der Verdacht liegt hauptsächlich einer fahrlässigen Körperverletzung und Tötung vor. Es muss daher überprüft werden; ob es möglich war, den Unfall vorherzusehen und die Folgen zu verhindern; ob man die Folgen als Schaden durch den Unfall konstatieren kann; und ob man bestimmten Menschen dafür verantwortlich machen kann.