Den Namen Fukushima nahmen die Schweizer Medien erst wieder in den Mund, als eine Unwetterkatastrophe in der Region Tohoku einige Todesopfer forderte. Ansonsten wird hier zu Lande nicht mehr viel über die Katastrophe berichtet. Einen Vorwurf kann man den Schweizer Median jedoch nicht machen, da selbst in Japan darüber immer weniger berichtet wird.
Vor einigen Tagen schrieb ich wieder eine Mail an Frau Minako Azami (siehe den Bericht vom 19. Mai). Ich wollte wissen, ob sie etwas Neues mitzuteilen hätte. Ein paar Tage später schrieb sie mir zurück.
Sie beklagt sich, dass die nationalen Nachrichtsendungen nicht mehr viel über die aktuelle Situation des AKWs Fukushima I berichten. Sie befürchtet, dass die Katastrophe in Vergessenheit gerät.
Der lokale Fernsehsender leiste hingegen wichtige Beiträge für die Bewohner der Region. „Auch vor einigen Tagen hat er von Zuschauern ihre Meinungen, Wünsche und Fragen an das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie gesammelt.“ Ein Ansager einer Nachrichtsendung fasste sie zusammen und richtete sie direkt an das Ministerium. Er stellte unter anderem eine Forderung, den Arbeitsplan zur Dekontamination zu veröffentlichen.
„Aber so eifrig wir auch sind, spüre ich gleichwohl, dass die Regierung in Tokyo nur langsam die nötige Unterstützung anrollen lässt. Allein beim Abschaben der kontaminierten Erde aus den Schulhöfen hinkt die Hilfe des Staates derjenigen der Präfekturen und Gemeinden hinterher. Um einen Dosimeter (Strahlenmessgerät) für die Bevölkerung kümmert sich die Regierung auch nicht, wir kaufen deshalb selber einen oder die Gemeinde leiht uns einen aus.“
Frau Azami vermutet, dass Menschen, die sich immer noch in provisorischen Lebensumständen befinden, nicht gross jammern und um Hilfe bitten, was Ihnen eigentlich zustehen würde.
Sie stellt sich auch vor, dass nach dem Auftauchen des mit Radioaktivität verseuchten Rindsfleisches das Ausmass der Gerüchte zunimmt und dem Image der Bauern schadet.
Das Wort „Fûhyô-Higai“, das auf Japanisch Schaden (Higai) durch Gerüchte (Fûhyô) bedeutet, bekommt man nach dem AKW-Unfall sehr oft zu hören.
„Um das Fûhyô-Higai zu verhindern, müssen die Bewohner der Präfektur Fukushima auch selber aktiv werden. Wir können nicht nur versichern, dass unsere Produkte gut schmecken. Wir sollen zusätzlich ein Zeugnis ausstellen, das beweist, dass unser Gemüse und Fleisch qualitativ in Ordnung ist.“
Sie schlägt vor, dass die Strahlungsdosis im Feld täglich gemessen und publik gemacht werden sollte. „Wir müssen uns anstrengen, um das Bewusstsein der Konsumenten zu ändern.“ Sie kaufen heute Produkte aus Mitleid, weil ihnen die Leute in Fukushima leid tun, so Frau Azami. In Zukunft sollen sie aber das Gemüse kaufen, weil sie die Qualität wieder schätzen und dabei sich sicher fühlen können. „Ich selber bin keine Bäuerin, aber ich wünsche mir, dass die Situation sich schrittweise verbessern wird.“