Monat: Mai 2011

Tiere im verseuchten Gebiet

Japaner lieben Hund und Katze wie viele andere. Auch Menschen in Fukushima. Viele Bewohner in der Sperrzone, dem Gebiet von 20 km um das AKW, konnten aber ihre Haustiere nicht in die Notunterkunft mitnehmen. Die einen haben ihren Hund im Garten angebunden, die anderen loslassen.

Es gab Hunde, die angebunden verhungert haben. Die Beamten von Fukushima begeben sich jetzt im Schutzanzug in die Sperrzone, um die Haustiere abzuholen oder um ihnen Futter zu geben. Die in ein Heim gebrachten Hunde und Katze warten auf ihren Besitzer, aber nur ca. 20% davon haben bis heute ihren Herr oder Herrin wiedergesehen, berichtet die Asahi-Zeitung.

Eine 63-Jährige Frau hat ihre drei Hunde zu Hause vorgefunden, als sie im Schutzanzug zwei Stunden nach Hause zurückkehren durfte. Sie wurden vom Beamten ins Heim gebracht, aber die Herrin möchte ihre Haustiere noch nicht zu sich holen, weil sie zur Zeit provisorisch in einer Wohnung wohnt. Sie fürchtet, dass ihre drei Hunde die Nachbarschaft stören würden.

Im privaten Tierheim werden momentan etwa 70 Tiere betreut. Der Platz ist bereits knapp. Doch eine Gemeinde nach der anderen führt heute die zweistündige Heimkehr durch oder organisiert solche und die Zahl der Haustiere, die aus der Sperrzone abgeholt werden, wird noch ansteigen.

Ansichtskarte aus Fukushima

hanami-yamaEine schöne Ansichtskarte aus Fukushima habe ich heute erhalten. Frau Minako Azami hat anfangs Mai einen Leserbrief an die Asahi-Zeitung geschrieben. Sie sende Ansichtskarten, auf denen eine idyllische Landschaft der Präfektur Fukushima vor dem Tsunami Katastrophe zu sehen ist, an ihre Freunde in Japan.

Als ich ihren Leserbrief las, dachte ich, „das möchte ich auch“. Ich schrieb sofort eine E-Mail an die Zeitung, um zu bitten, ihr meinen Wunsch weiter zu leiten, weil ihre Adresse nicht vollständig bekannt gegeben wurde. Etwa zehn Tage später kam tatsächlich eine Ansichtskarte von Hanami-Yama aus Fukushima.

„Hanami“ heisst Blumen anschauen. „Yama“ bedeutet Berg oder Hügel. Auf der Ansichtskarte sieht man einen Abhang mit vollen Blüten. Sehr wahrscheinlich von Pflaumen und Wildkirschen. Der Boden ist zum Teil weiss, also liegt noch Schnee auf dem Hügel. Es ist vielleicht März… Im Hintergrund schweben Schneeberge.

Ich weiss nicht, ob dieser Hügel noch intakt steht. Wahrscheinlich schon. Frau Azami schrieb mir, „Es ist noch nicht klar, wie man das AKW Fukushima unter Kotrolle bringen kann. Wenn aber die Ordnung wiedergekehrt ist, besuchen Sie bitte das schöne Land Fukushima.“

Auf der anderen Seite der Karte fand ich einen winzig geschriebenen Hinweis: „Die Stelle riecht nach dem Pfirsich, einer Spezialität der Region.“ Japanische Pfirsich sind ziemlich gross und sehr sehr fein.

Neue Analyse

Am 16. Mai berichteten japanische Zeitungen von einer neuen Analyse, wie es im AKW Fukushima I zum Unfall gekommen ist. Der AKW-Betreiber Tepco geht jetzt davon aus, dass eine Kernschmelze im Atomreaktor 1 bereits fünf Stunden nach dem Erdbeben in Gang gekommen ist. Das geschmolzene Material sammelte sich auf dem Boden des Druckbehälters, die meisten Teile befanden sich schon im Wasser.

Der Reaktor 1 ist zur Zeit der einzige, den man betreten kann. Aber die Arbeiter haben dort im Keller mehr als 3000 Tonnen Wasser vorgefunden, das aus dem Reaktorbehälter gesickert hat. Durch die Kernschmelze ist das Wasser sehr wahrscheinlich auch kontaminiert.

Auch bei den Reaktoren 2 und 3 könnte eine Kernschmelze stattgefunden haben, so die Zeitungen vom 17. Mai. Nun ist die Kritik immer lauter, dass Tepco den Unfall sehr unterschätzt hat.

Psychiche Probleme der Polizisten

Zwei Ausschnitte aus der Asahi-Zeitung vom 14. Mai.

Die Präfekturpolizei Miyagi hat eine medizinische Untersuchung unter ihren Beamten durchgeführt. Dabei haben die Ärzte festgestellt, dass etwa 10 Prozent der Polizisten unter psychischem Problem leiden. Sie zählen im Traum Leiche oder nach einigen Stunden werden sie wach und können nicht mehr schlafen.

Die Polizei barg ca. 9000 Leiche bis 13. Mai und sucht weiterhin nach dem Leichnam der 5900 Personen. Alle arbeiten fast sieben Tage in der Woche. Eine Arzt macht sich Sorgen, dass die Beteiligten, die jetzt keine Beschwerde haben, später auch ähnliche Probleme bekommen könnten.

Eine Gymnasiantin aus Präfektur Mie hat einen Leserbrief geschrieben. Die grösste Erdbebenkatastrophe Japans gab ihr einen Anlass, über das Glücklichsein zu denken. Sie hätte immer gedacht, Glücklich zu sein heisst, dass Dinge, die man sich wünscht, in seinen Besitz kommen.

Die Betroffenen der Katastrophe sagen aber, sie seien wunschlos zufrieden, dass sie überhaupt die Katastrophe überlebt haben. „Sie haben ihr zu Hause verloren, sie haben ihre Stelle verloren, aber sie freuen sich, dass sie noch am Leben sind“, schreibt die 16-Jährige.

„Für sie ist das Leben, das man früher als selbstverständlich betrachtet hat, keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich bin vielleicht schon jetzt, in diesem Moment, glücklich.“

Junge freiwillige Helfer

Die unter hoher Arbeitslosigkeitsrate und weniger Perspektive leidende junge Generation Japans hat wenig Interesse am Sozialleben. Bis jetzt. Nachdem sie im Fernseher und Internet die schockierenden Bilder von der Region Tohoku gesehen hat, schliessen sich immer mehr junge Japanerinnen und Japaner an freiwillige Arbeit für die Betroffenen an.

Den Zeitraum von der letzten Aprilwoche bis die erste Maiwoche nennt man in Japan „The Golden Week“. Ein Feiertag folgt nach dem anderen und man könnte zehn Tage nacheinander ohne Arbeit und Schule die Freizeit geniessen. Eine spezielle Zeit für Japaner. Es ist Frühling, das Klima ist gerade für eine Reise oder einen Tagesausflug am besten geeignet.

Dieses Jahr bewegte sich eine Menschenwelle in die Richtung Norden, als die goldene Woche begann. In der Stadt Sendai von der Präfektur Miyagi haben während der Woche 600 bis 700 Personen pro Tag eine freiwillige Arbeit geleistet, berichtete die Nihon-Keizai-Zeitung, kurz Nikkei. Die Stadt war fast überwältigt von der Menschenmenge und zum Teil musste das Angebot absagen.

Heute, nach der (in japanischem Verhältnis) langen Ferienwoche, mangelt es wieder an der Hilfskräfte in manchen Städten und Dörfern. Für das Aufräumen der Trümmer oder das Umziehen von der Notunterkunft zu einer provisorischen Wohnung braucht man noch langfristig viele Hände, heisst es.

Die Arbeit der freiwilligen Helfer ist sehr geschätzt. Foto: Hideyuki Usui

Die Arbeit der freiwilligen Helfer ist sehr geschätzt. Foto: Hideyuki Usui