Monat: September 2016

Stauseen mit verseuchtem Schlamm bleiben

Auf dem Grund der zehn Stauseen in der Umgebung vom AKW Fukushima I sammelt sich immer mehr radioaktives Cäsium. Beim Ogaki-Stausee wurde der Mainichi-Zeitung zufolge im November 2015 mit 107’000 Becquerel pro Kilogramm der zweithöchste Wert seit dem Atomunfall gemessen. Das Cäsium, das damals in grosser Menge in den Wäldern gelangt hat, fliesst im Lauf der Zeit in die Flüsse und reichert sich auf dem Grund des Sees an. Die gesamte Radioaktivität vom Grund der Ogaki-Stausee wird rund 8 Billion Becquerel geschätzt (Dez. 2013). Der Wert im Wasser beträgt allerdings 1 bis 2 Becquerel pro Liter, weil die starke Strahlung des tiefen Seebereichs vermutlich durch das Wasser abgeschirmt wird. Die Strahlendosis in der Luft um die Seen beträgt max. 2 mSv/h.

Für das Umweltministerium besteht hier kein Bedarf an Sanierung. „Würde der See wegen eines Wassermangels austrocknen, müssen wir nur Massnahmen dazu ergreifen, dass niemand sich an den See nähert“, erklärt ein zuständiger Beamter des Ministeriums. „Bei einer Dekontaminierung hingegen, wie könnte eine Ersatz-Wasserquelle während der Arbeit sichergestellt werden? Beim gegenwärtigen Zustand wären Auswirkungen grösser, wenn man sie dekontaminieren würde.“

Das Wasser des Ogaki-Stausees wurde früher für die Landwirtschaft benützt. Das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft und Fischereiwesen will vor der erneuten Benutzung des Seewassers die Gesamtmenge des Cäsiums und die Sicherheit des Wassers überprüfen. Die Produkte aus der Landwirtschaft und Fischerei von der Präfektur Fukushima werden erst auf den Markt verschickt, nachdem versichert wurde, dass dabei der Grenzwert nicht überschritten wird.

Unter Bewohnern herrschen kritische Stimmen. „Auf die Frage, was bei einem Staudammbruch passieren würde, haben sie keine Antwort“, sagt ein Beamter von der Gemeinde Namie-Machi, die im nächsten Frühling einen Teil der Sperrzone aufheben will. Ein Gemüsebauer empört sich, „Die Regierung betont nur, dass es sicher sei. Ich vermisse von ihr die Bereitschaft, durchgreifende Massnahmen nachzuprüfen. Unter diesen Umständen können wir uns in unserer Heimat nicht sicher fühlen und der Wiederaufbau der Landwirtschaft wird auch schwierig zu gestalten.“

Auch Speziallisten schlagen Alarm. Die Forschungsgruppe von Seiji Hayashi an National Institut for Environmental Sutdies ist der Meinung, dass das Cäsium, das an Erde und Schlamm absorbiert worden ist, je nach Umstände sich ins Wasser lösen kann. Die Gruppe hat festgestellt, dass die Cäsiumkonzentration des Wassers im Tiefbereich im Sommer, in dem Mikroben aktiver werden und die Ammoniakmenge im Wasser zunimmt, 1,5 Mal höher als diejenige der Wasseroberfläche ist. Es ist zu vermuten; Cäsium löst sich ins Wasser, weil die Erde das Ammonium-Ion stärker als Cäsium absorbiert. „Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die Umwelt wegen der veränderten Wasserqualität durch Abwasser der zurückgekehrten Bewohner im Oberlaufgebiet etwa zugunsten von Auflösung des Cäsiums verändern würde“, erklärt Hayashi.

Unter Experten gibt es aber auch Stimmen, die das Nichtstun der Regierung unterstützen. Die Meinung spalten sich auch hier.

Es muss schnell gehen!

Die japanische Regierung eilt sich mit der Rückkehr der Einwohner, die wegen des Atomunfalls von Fukushima I ihre Heimat verlassen mussten. Die Strahlendosis in der „schwer rückkehrbaren Zone“ darf nicht höher als 20 mSv pro Jahr sein. Nach Meinung der Hauptverwaltung für Beschleunigung des Wiederaufbaus soll diese Zone fünf Jahre nach der Katastrophe teilweise aufgehoben werden. Laut Nikkei-Zeitung hat sie am 24. August diesen Vorschlag an die Abe-Regierung übergaben.

Aus den unterschiedlich gestuften Evakuierungszonen mit einer Grösse von 1’149 km2 mussten nach dem verheerenden Atomunfall rund 80’000 Einwohner ihre Heimat verlassen. Heute, nach der jahrelangen Dekontaminierungsarbeit, zählen rund 50’000 Menschen, die noch nicht nach Hause kehren dürfen, und flächenmässig 724 km2 gelten noch als zu stark kontaminiert für Menschen.

Die Regierung verringert sukzessiv die als unbewohnbar geltenden Zonen. Allerdings; Die Angst der Einwohner kann die Regierung nicht verringern. Bis heute sind lediglich 1’400 Haushalte beziehungsweise 10 % der gesamten Betroffenen nach Hause zurückgekehrt. Bei einer Umfrage von Behörde für Wiederaufbau hat ein Viertel der Einwohner von der Stadt Naraha geantwortet: „Ich will nie mehr nach Naraha zurückkehren.“

Trotz der Angst der Einwohner und der Gemeinde um die Gesundheit und die Zukunft will die Regierung die Aufhebung der Evakuierungszonen schnellstmöglich vorantreiben. Die Nikkei-Zeitung sieht den Grund in den nächsten olympischen Sommerspielen in Tokyo. Für die Regierung symbolisieren sie nämlich der Wiederaufbau des Landes. Auch die OK plant, Baseball- oder Softballspiele teilweise in Fukushima auszutragen. Auch das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der regierenden Partei ist zu beseitigen. Die Regierung sowie LDP wollen nun zeigen, dass sie sich für den Wiederaufbau ernsthaft bemühen. Meiner Meinung nach fehlt hier aber eine humanitäre Aspekt.