Monat: Mai 2012

Tohoku-Reise

Die Informationsquelle dieser Seite besteht grossenteils aus den beiden japanischen Zeitungen, Asahi und Nikkei. Diesmal möchte ich hier beschreiben, was ich in Tohoku mit eigenen Augen gesehen und direkt von Bewohnern vor Ort gehört habe. Ich bin vom 15. bis 18. Mai in der Region herumgereist.

Die erste Station heisst Koriyama in der Präfektur Fukushima. Dann reiste ich nach Kesennuma (Präfektur Miyagi) und weiter nach Rikuzen-Takada, Ofunato und schliesslich nach Kamaishi (Präfektur Iwate).

Es war eine Reise mit Trauer, Freude und Überraschungen.

Am Bahnhof Koriyama

Auf dem Bahnsteig des Shinkansen (Hochgeschwindigkeitszug) im Bahnhof Koriyama wartete auf mich Frau Minako Azami (siehe Bericht vom Mai und Juli 2011). Wir unterhielten uns in einem italienischen Restaurant im Bahnhofgebäude.

Frau Azami, eine ruhige Frau von kleiner Gestalt wohnt in der Stadt Sugakawa, etwa 60 km entfernt vom AKW Fukushima I. Neben Tanka, einem silbigen japanischen Gedicht, schreibt sie seit der Atomkatastrophe Leserbriefe an Zeitungen.

Reisfelder in Fukushima mit Hochspannungsleitung

Reisfelder in Fukushima mit Hochspannungsleitung

Im ihren ersten Brief, den die Asahi-Zeitung gedruckt hat, forderte sie die Leser auf, sich zu beruhigen und Fukushima zu besuchen. „Fukushima ist sicher, kein Panik!“. Sie bedauert dies heute. Damals, unmittelbar nach dem Atomunfall, versicherte der Professor Shun-ichi Yamashita von der medizinische Universität Fukushima fast täglich im Radio, dass es keine Gefahr mit der Radioaktivität besteht.

Sie glaubt heute seine Behauptung nicht mehr, und fürchtet, dass die Situation in Fukushima und der Umgebung nicht ernst genommen wird. Anfangs des Jahres hat sie sich verärgert und enttäuscht, weil kein japanischer Fernsehsender an Festtagen darüber berichtete, wie die Evakuierten und Menschen in Fukushima das Neujahr verbracht haben. Im Fernsehen wurden wie jedes Jahr nur spezielle Neujahr-Programme mit viel Lärm ausgetragen. 

Frau Azami, bald 50, musste selbst nicht evakuieren und wohnt heute auch so wie früher. Das Stadtbehörde misst regelmässig die Radioaktivität. Die Anzeigertafel an Strassen informieren den Bewohnern die aktuellen Werte. Frau Azami denkt nicht immer an die Radioaktivität. Aber als sie einmal ihre Schwiegereltern in der Präfektur Chiba besuchte, atmete sie paar Mals tief ein. Denn sie hat das Gefühl, dass in Sukagawa der Himmel immer mit radioaktiven Wolken bedeckt ist.

Schweine in der Sperrzone

Die Universität Tokyo untersuchte die Fortpflanzungsfunktion der Schweine, die nach dem Atomunfall von AKW Fukushima I 110 Tage lang in einer Schweinefarm in der Stadt Minami-Soma, 17 km vom havarierten Kernkraftwerk entfernt, verbrachten.

Die Forscher haben keine negativen Auswirkungen auf den Eierstock und die Hoden festgestellt. Auch Ferkel seien im normalen Rahmen geboren worden. Die Untersuchung von 10 männlichen und 16 weiblichen Schweinen wurde im Juni letzten Jahres durchgeführt.

Gemäss einem Bericht von der Asahi Zeitung starb drei Schweine, als sie in die Viehfarm der Uni in der Präfektur Ibaraki umgelegt wurden. Das Cäsium-Wert in ihren Eingeweide war so tief, dass es nicht nachweisbar war. Bei den überlebten 23 Tieren hat man nach der Form der Hoden sowie des Eierstocks, der Zahl und die Bewegung des Spermiums und der Hormonkonzentration im Blut untersucht und keine Abnormalitäten gefunden.

Kurz nach dem Unfall wurde um die Schweinefarm eine Strahlungsdosis von ca. 1 mSv/St gemessen, jene des Bodens 1 Million Bq/kg. Die Uni will weiterhin eine langfristige Untersuchung vornehmen.

Etwas erhöhter Cäsium-Wert in der Tokyo-Bucht

In der Tokyo-Bucht wurde hingegen einen etwas erhöhten Cäsium-Wert festgestellt. Die Universität Kinki misst dort seit letztem Sommer die Radioaktivität des Meeresbodens an fünf verschiednen Stellen. In vergangenen sieben Monaten wurde der Wert um das 1.7-fach erhöht.

Insgesamt ist die Veränderung nicht sehr gross, aber die Konzentration des Cäsium wird in die Tiefe, bis zu 30 cm, verlegt, weil der Schlamm sich auf der Oberfläche des Bodens abhäuft. Der höchste Wert (Menge) betrug 27’200 Bq/m2. Die Konzentration in der Tiefe von 14 bis 16 cm war rund 2’100 Bq/kg.

Im Meer befinden sich 70% der radioaktiven Stoff in einer Tiefe von mindestens 10 cm. Das Forschungsteam sieht deswegen wenig Einfluss auf die Umwelt als auf dem Lande.

Reaktor 3 des AKWs Tomari

Um 11 Uhr in der Nacht vom 5. Mai (japanische Zeit) wird der Reaktor 3 des Kernkraftwerks Tomari in Hokkaido für eine Revision heruntergefahren. Die japanischen AKW sind damit alle vom Netz. Zur Zeit werden 90% des Stroms mit Öl, Kohle und Gas produziert.

Im Dorf Tomari fand heute eine Parade statt. Morgen ist eine Demo geplant. Organisiert werden diese Veranstaltungen von einer Bürgergruppe, die nach der Atomkatastrophe von Fukushima gegründet wurde, um die Stilllegung des AKWs Tomari zu realisieren. http://tomari.sakura.ne.jp/sub90.html (Englisch). 1’800 Mitglieder haben November 2011 gegen Hepco (Hokkaido Electric Power) eine Klage eingereicht.

In Hamaoka in der Präfektur Shizuoka läuft bereits ein Prozess. Unter dem AKW Hamaoka vermutet man vier Verwerfungen. Das AKW gilt das gefährlichste der Welt. Auch in der Präfektur Saga kämpfen die Bevölkerung für die Stilllegung des AKWs Genkai. 

Wolkenbruch in Tohoku

20120504 1100-6Vom 3. bis 4. Mai regnete es in den vom Erdbeben und Tsunami verwüsteten Gebieten stossweise sehr stark: Innerhalb 24 Stunden bis zu 225 mm.

Die Strassen wurden wegen Überschwemmung und Erdrutsch gesperrt, die Strom ist teilweise ausgefallen.

In der Stadt Kesennuma sah die Gegend, wo nur noch die Fundamente zurückblieben, wie ein See aus.

(Foto: Hotate Kajiwara)