Monat: Januar 2012

Hot Spot auch im Meer

Das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, kurz MEXT, sammelt regelmässig die Erde vom Meeresboden an der Nordostküste Japans, um die Konzentration der radioaktiven Stoffe zu prüfen. Sie ist niedriger als jene vom Land, aber man befürchtet Einflüsse auf die Lebewesen, die auf dem Meeresgrund leben.

Das Resultat vom November 2011 ist hier zu sehen.

http://radioactivity.mext.go.jp/ja/monitoring_around_FukushimaNPP_sea_marine_soil/2011/11/1350_1108.pdf

(Japanisch/Englisch)

Die Verbreitung des radioaktiven Cäsiums 137 ist nicht gleichmässig. Vor der Ojika-Halbinsel von der Präfektur Miyagi war der Wert mit 360 Bq/kg zehnmal höher als jene, die in der Nähe vom AKW Fukushima I gemessen wurden. Auch vor der Küste der Stadt Takahagi (Präfektur Ibaraki) waren die Werte ca. 300 Bq/kg hoch.

Professor Seiya Nagao an der Uni Kanazawa erklärte in der Nikkei-Zeitung, dass Cäsium sich im Meer bewegt, indem es vom kleinen Partikel wie Mineral absorbiert wird. „Hoch wird die Konzentration an einer Stelle, wo die Partikeln sich sammeln.“ Auch an Flussmündungen, wo die radioaktiven Stoffe, die durch Regen in den Fluss gelangt sind, ins Meer befördert werden, könnte die Konzentration langsam aber stets stärker werden.

Cäsium im Meer bleibt nie an einem Ort. Zum Beispiel im Meer vor der Stadt Hitachinaka (Ibaraki) betrug der Konzentrationswert des Cäsiums im Juli 2011 180 Bq/kg, im September hat er sich auf 520 Bq/kg verdreifacht und im Dezember wiederum auf 35 Bq/kg stark abgenommen.

Nach einer vorläufigen Berechnung von der japanischen Atomenergie-Agentur sind insgesamt 3’600 TBq (1 Tera = 1000 Mrd) Cäsium innerhalb eineinhalb Monaten nach dem Atomunfall ins Meer gelangt. Ein Ausmass, das die Menschheit noch nie kannte, berichtete die Nikkei-Zeitung.

Dekontaminierungsarbeit in Fukushima hat begonnen

Die japanische Regierung hat mit der Dekontaminierung von radioaktiv verseuchten Gebieten der Präfektur Fukushima begonnen. In den Zonen, in denen die Strahlung über 20 mSv stark ist oder die integrale Strahlungsdosis in einem Jahr über 20 mSv erreichen könnte, werden Wohnhäuer (60’000 Haushalte), Acker und Industrie- sowie Handelseinrichtungen entseucht. Wälder stehen nicht auf der Dekontaminierungsliste.

Priorität hat die Zone, wo die Strahlungsdosis zwischen 10 und 20 mSv beträgt. Wenn der Wert weniger als 10 mSv sinkt, wird die Evakuierungsanweisung aufgehoben. In der Schule sollten die Werte max. 1 µSv/ pro Stunde sein. Ab Juli möchte die Regierung mit der Wegschaffung der kontaminierten Erde anfangen.

Die Dekontaminierung von der Zone mit der Strahlungsdosis von 20 bis 50 mSv wird vor 2014 fertig sein. Die Werte sollen unter 20 mSv reduziert werden. In der sehr stark verseuchten Zone über 50 mSv hingegen ist die Dekontaminierung nach Meinung des Umweltministeriums schwierig und je nachdem könnte es darauf völlig verzichtet werden.

Erste Bilder vom Inneres des Sicherheitsbehälters

Tepco hat am 20. Januar die ersten Bilder von der inneren Seite des Sicherheitsbehälters des Reaktors 2 veröffentlicht.

http://www.youtube.com/watch?v=e0AkZcB4w0o

Bei der 70-minütigen Untersuchung vom 19. Januar setzte Tepco einen mit einem Thermometer ausgestattete industriellen Endoskop ein. Die Sicht war wegen des Dampfs und Wassertropfens schlecht, dazu erzeugte die starke Strahlung vermutlich Störungen (Noise) in den Bildern.

Ausserdem war die Wasseroberfläche nicht in der Höhe zu sehen, wo man erwartete. Tepco hatte vermutet, dass sie ca. 4.5 m über den Boden des Sicherheitsbehälter liegt. Aber die Sonde hat sie in der Höhe von 4 m immer noch nicht erreicht. Tepco geht trotzdem davon aus, dass die Brennstäbe sich im Wasser befinden. Denn die Temperatur der inneren Seite des Behälters, an einer Stelle in der Nähe vom Boden, betrug 44.7 Grad und entsprach ungefähr ihrer Erwartung.

AKW-Betrieb max. 60 Jahre

Am 17. Januar teilte Toru Ogino vom Sekretariat des Kabinetts mit, dass die Kernkraftwerke in Japan ausnahmsweise bis zu 60 Jahre betrieben werden dürfen. Erst vor rund zehn Tagen machte der Minister für Atomkrisenmanagement Goshi Hosono bekannt, dass die Lebensdauer des Atommeilers grundsätzlich auf 40 Jahren beschränkt werden soll.

Der Betreiber darf gemäss des neuen Plans ein einmaliges Gesuch um die Verlängerung des Betriebs bei der für die Sicherheit der Kernenergie zuständigen Behörde, die im April neu starten wird, einreichen, erklärte Ogino. Die Behörte überprüft die Überalterung der Anlage und technische Kompetenzen des Betreibers. Verlängert werden darf die Betriebsdauer maximal für 20 Jahre.

Die Stromversorger freuten sich über diese Neuigkeit, aber die Disharmonie der Regierung warf auch Frage auf, schreibt die Asahi-Zeitung vom 18. Januar. Sie seien nicht in die Diskussion einbezogen und hätten einen Eindruck, dass die Regierung hie und da einen Kurs bekannt macht, ohne darüber genügend diskutiert zu haben.

Isoliertes Leben in der Übergangswohnung

Nach Recherchen der Asahi-Zeitung leben im Katastrophengebiet Menschen, vor allem Betagten, die in einer Übergangswohnung wohnen, sehr isoliert. Bis Ende letzten Jahres wurden alle provisorische Unterkünfte, die in einer Sport- und Messehalle untergebracht worden waren, aufgelöst, die Evakuierten zogen danach in eine Übergangswohnung ein.

In der Stadt Kesennuma von der Präfektur Miyagi gibt es 93 Gebäude für die Übergangswohnungen. Sie stehen auf einer Höhe verstreut, teilweise brauchen alte Bewohner zur nächste Bushaltestelle eine Stunde zu Fuss zu gehen. Einmal pro Woche gibt es ein Shuttle-Bus-Service zum Supermarkt.

In einer Siedlung wohnt bei der Hälfte der gesamten 56 Haushalte eine Betagte oder ein Betagter allein. Sie kamen aus unterschiedlichen Gebieten her und kennen sich überhaupt nicht. Ein Mann in den 60ern wohnt hier mit seiner Mutter zusammen. Sie ist über 90 Jahre alt und er klagt, „Die Demenz meiner Mutter hat sich verschlechtert, seit wir hier wohnen. Wir kennen niemanden, wir fühlen uns sehr einsam.“

Die Stadt schaut diese Situation nicht einfach zu und schicken 27 Leute, die bei der Katastrophe ihre Stelle verloren haben, als Betreuer zu den Übergangswohnungen. Ca. einmal pro Woche bekommen die Bewohner dessen Besuch. Aber es ist nicht genug, um die einzelne Person eng und eingehend zu begleiten.

Ein freiwilliger Betreuer hat bis heute mit über 130 Menschen zu tun gehabt, mehr als 70 Betagten sind bereits gestorben. Er meinte: „Je grosser die Not ist, desto mehr zieht man sich zurück. Sie haben weder Willens- noch Körperkraft, um die Beziehung von Null an wieder aufzubauen. Wir, die Betreuer, müssen die Initiative ergreifen.“

Gelbe Flagge für Schütz

In einer Siedlung aus Übergangswohnungen in Fukushima schützt eine gelbe Flagge betagten Einwohnern vor einsamem Tod. Jeden Morgen stellen die allein wohnenden Betagten über 70 Jahre alt eine gelbe Flagge beim Eingang ihrer Wohnung und am Abend nehmen sie sie wieder weg. Die Mitglieder des Selbstverwaltungsrates patrouillieren morgens und abends, ob alle Flagge da sind bzw. schon in die Wohnung aufgeräumt worden sind.

Wenn nicht, könnte sein, dass der Einwohnerin oder dem Einwohner etwas passiert ist. Meistens ist es harmlos, sie haben es schlicht vergessen. Aber einmal hat man einen 71-jährigen Mann in seiner Wohnung bewusstlos aufgefunden, berichtet die Nikkei-Zeitung am 12. Januar. Er wurde als Notfall ins Spital eingeliefert, bei ihm wurde Gallenstein diagnostiziert. Heute sagt er: „Ich wurde von der Flagge gerettet.“

Nach dem Erdbeben von Kobe vor 17 Jahren starben 233 Betagten während fünf Jahren in der Übergangswohnung. Von ihrem Tod merkte lange niemand.